Mitte letzter Woche hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil den Verkauf der meisten "Liquids" für Strafbar erklärt. Die Händler sind jedoch nicht beunruhigt - schon in 90 Tagen ist das BGH-Urteil wertlos. Dann nämlich tritt eine EU-Richtlinie in Kraft.
E-Zigaretten sind auch in Deutschland mittlerweile ein Millionengeschäft. Umso härter könnte ein Verbot von Liquids für die E-Zigarette die Branche gefährden. Doch der Handel bleibt gelassen. Die Industrie geht trotz des aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs nicht von einem Verschwinden der E-Zigaretten aus, warum auch.
Dustin Dahlmann, Vorsitzender vom Bündnis für Tabakfreien Genuss e.V.: "Art. 2, Nr. 4 der EU-Tabakrichtlinie 2001/37/EG definiert Tabak zum oralen Gebrauch als Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Tabak bestehen, sei es in Form eines Pulvers oder feinkörnigen Granulats oder einer Kombination dieser Formen. Hierunter fallen die verdampfenden Liquids nicht“.
Der Grund, warum der Handle dennoch nicht mit einem Aus für die E-Zigaretten rechnet, ist eine Richtlinie, der EU aus dem Jahr 2014, die bis zum 20. Mai dieses Jahres in nationales, also auch deutsches Recht umgesetzt werden muss. Somit wäre das Urteil des BGH hinfällig und zugleich völlig umsonst.
Wie von Dahlmann angemerkt, bezieht sich das Urteil des BGH auf einen früheren Fall des Landgerichts Frankfurt. Damals hatte das Landgericht einen Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 9.000 Euro verurteilt. Der Grund: „wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind“. Dagegen hatte der Beklagte Revision beim BGH eingelegt und der BGH hatte nun das Urteil des Frankfurter Landgerichts bestätigt.
Der BGH nahm in seinem Urteil eine genaue Einordnung vor und stufte alle Liquids mit Nikotin, der aus Rohtabak gewonnen wurde, als Tabakerzeugnisse ein – auch wenn die Flüssigkeit selbst gar keinen Tabak mehr enthält.
Der Handel rechnet aber aufgrund der neuen EU-Richtlinie ab Mai nicht mit einer Anwendung des BGH-Urteils für andere Händler. „Es macht ja keinen Sinn, Liquids aus dem Regal zu nehmen, wenn sie in einigen Wochen völlig legal sein werden“, so Dahlmann. Außerdem gelte im Strafrecht das Rückwirkungsverbot (§2 Abs., 3. StGB). „Das heißt, wenn sich ein Gesetz zum Entscheidungszeitpunkt zugunsten des Angeklagten geändert hat, kann er nicht beziehungsweise nur nach dem milderen Gesetz verurteilt werden. Das neue Tabakerzeugnisgesetz sieht jedoch eine Bestrafung nicht vor.“
Ähnlich kritisch reagierte auch der Verband des eZigarettenhandels auf das Urteil des BGH.
Dac Sprengel, Vorsitzender des Verbands für den E-Zigarettenhandel:
„Dieses Urteil ist ein schlechter Witz. Der Bundesgerichtshof hat versäumt, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Dies hätten die deutschen Richter tun müssen, da ihr Urteil den EU-Binnenmarkt betrifft. Dann wäre die Sinnlosigkeit eines deutschen Alleingangs für 90 Tage klar geworden. Es geht dem BGH in seiner Begründung um anderweitigen oralen Gebrauch. Dieser wurde seinerzeit exklusiv für schwedischen Lutschtabak (Snus) definiert und nicht für die eZigarette.“
Mittlerweile werden an über 5.000 Orten in Deutschland E-Zigaretten verkauft. Der Jahresumsatz der Händler mit den E-Zigaretten wird für 2015 auf satte 275 Millionen Euro geschätzt.
Quelle: u.a. deutsche-gesundheits-nachrichten.de